Was heißt Trinken überhaupt? Oder besser was meint Trinken? Ist der gute Wein zum Essen im Stammrestaurant? Oder der Verzehr zahlloser Biere in Lokalen wie dem Schmalen Handtuch garniert mit Kurzen? Ist es das Bier auf die Faust auf dem Weg nach Haus?
Schaut man im Duden nach, oder moderner bei Duden.de, nach , findet man drei Unterpunkte, wovon zwei eindeutig mit dem Verzehr von alkoholischen Substanzen verbunden sind.
Lässt sich so schließen, dass die lebenswichtige Flüssigkeitszunahme auch immer irgendwie mit der Sehnsucht nach einem anderen Bewusstseinszustand verbunden ist? Also bedeutet „trinken“ in 2 von 3 Fällen sich betrinken. Sind also 2/3 der Menschen immer betrunken.
Schauen wir mal in die Literatur. Bei Hans Fallada wird mit Alkohol nicht gespart. Nicht das bei ihm „trinken“ positiv besetzt wäre, nein.
Aber es scheint schon eine Alltagserscheinung zu sein. Besonders die „Bösen“ trinken bei ihm sehr heftig. Ganz besonders gut zu erkennen in seinem Roman “ Jeder stirbt für sich allein“ 1947. Hier wenden sich vor allem die Nazis in Form von SS und SA massiv dem Akhohol zu. Dazu kommt noch eine Vorliebe für Allerlei Rohes, Dummes, Lautes und Brutales. Ähnlich ist es bei “ Bauern, Bonzen und Bomben“1931. Auch hier trinkt die Reaktion und die SA.
Wenn wir hier die 2/3 Quote des Duden anwenden sind wir bei einer recht hohen Zahl von Nazis im Deutschland der 30iger Jahre, was manchmal so scheint, aber selbst bei pessimistischen Schätzungen übertrieben scheint.
20 Jahre weiter schreibt wieder ein Mann über das Trinken. Jörg Fauser.
In „Rohstoff“ trinkt, kokst, und spritzt sich Harry Gelb durch die ausgehenden 60iger Jahre, spiegelt dabei geschickt den damaligen gesellschaftlichen Hype.
Doch nach allerlei Drogenexzessen landet er in Frankfurt beim Alkohol als Stammgast im „Schmalen Handtuch“. Aklohol wird hier zur milderen Form der Grenzerfahrung und wirkt auch als Katalysator für Kunst oder besser, er dient zur Erfassung der Realität, denn das Schreiben Harry Gelbs zielt auf einen Schmalen Grad zwischen Literatur und Journalismus.
30 Jahre weiter schreibt Thomas Melle in „Sickster“ über einen Manager mit „klapperden Fläschen“ im Sakko. Einer der Protagonisten, Thorsten, erträgt seine Welt in modernen Berlin nur mit dem besten aus der Minibar der nächsten Tanke. Vielleicht liegt es hier an an seinem Job für einen Tankstellenbetreiber. In diesem Job wird mit dem Vokabular der Betriebswirtschaft die Ausrichtung der Verkaufsdisplays des Getränkeangebotes des MiniShops verwissenschaftlicht. Klappernde Fläschchen im Sakko und Besuche auf der Toilette mit harten Saufattacken begleiten den Niedergang des bis dahin glorreichen Karriesisten. Der unschlagbare Manager verliert dann auch sämtliche Bindungen zu Ehre und Moral, indem er sich aus seiner Ehe in eine ruppige gesichtslose Affäre stürzt. Seine Frau wiederum landet zum Ende in der Psychatrie und lernt dort den gefallenen Genie Magnus kennen, welcher eine ferner Schulfreund des Fläschliebhabers Thorsten ist.
Auch hier ist das Trinken innerhalb der Gesellschaft fest verankert. Dies äußert sich über die von Alkohol und Drogen geprägten Schüler und Studentenparty, als auch in der Konzeption der Minibars der Tankstellen. Wobei der Widerspruch zwischen Tankstelle für nüchterne Autofahrer und Betankungsstelle für Alkoholjünger hingenommen wird. Das Trinken hat eine Brückenfunktion zum Eintritt in die Karriere bis zum Austritt bzw, Rauswurf bei Exzess. Er verbindet verschieden Ebenen des Lebens, ist sowohl Eintrittskarte, Mitgliedsausweis als auch Kündigungsgrund und auch Katalysator, der erst manche Möglichkeit erkennen läßt.
Benjamin Stuckrad Barre geht in seine Text anders vor.
Er schreibt aus der Sicht des Abstinenten. Zählt die Vorteile des Wassertrinkens auf und berichtet geschickt von der Ausgrenzung der Nichttrinkers.
Je weiter der Text fortschreitet, desto mehr verwischen sich die Grenzen. Ist das Ich wirklich froh nüchtern zu sein und zu bleiben? Was ist eine morgendliche Laufrunde im Tiergarten gegen eine durchzechte Nacht?
Tja, geht es nicht ohne Schnaps?
Schade, wenn nicht.